s-l-a1996
  Der Große Türkenkrieg
 

4. Türkenkrieg:  DER GROSSE (1683-1699)

Die Gefahren, die drohten, wenn erst der ,,goldene Apfel" des Reiches, wie Wien von den Türken genannt wurde, in der Hand des Sultans gewesen wäre, war damals allerdings nur wenigen bewußt. Ja, im Gegenteil: der "allerchristlichste König" von Frankreich, Ludwig XIV., war ständig eifrig bemüht, die Osmanen für einen großen Feldzug gegen den Kaiser zu gewinnen, weil er sich dadurch freie Hand für seine Raubzüge in den Niederlanden und am Rhein versprach. Französische Intrigen konnten allerdings den König von Polen, Johann Sobieski, nicht davon abhalten, ein Bündnis mit Kaiser Leapold I. zu schließen, denn der Pole erkannte angesichts der Kriegsvorbereitungen in Konstantinopel sehr wohl, wie bedrohlich ein osmanischer Erfolg auch für sein Land werden mußte. Hilfsgelder kamen von Papst Innozenz XI. sowie von Spanien, Portugal und Savoyen; einige Reichsfürsten versprachen militärische Unterstützung. Nur der "Große Kurfürst" Friedrich Wilhelm von Brandenburg verlangte im Sold Frankreichs als Preis für eine Unterstützung die Anerkennung der französischen Annexionen im Elsaß,was der Kaiser ablehnte.

Für die Türken gaben wieder einmal Unruhen in Ungarn den Anlaß für den Angriff. Im habsburgischen Oberungarn führten die Kuruzzen unter dem jungen Grafen Emmerich Tököly einen Kleinkrieg gegen die absolutistische österreichische Herrschaft und deren Sympathisanten. Palatin Nikolaus Esterhazy Tököly fand beim Großwesir Kara Mustafa Unterstützung, wobei dieser mit einem Angriff auf Österreich weit ehrgeizigere PIäne verband. Am 31. März 1683 brach das osmanische Heer von Konstantinopel auf. Der Kaiser wollte der anrückenden Türkenmacht mit der Eroberung der Grenzfestungen Gran/Esztergom und Neuhäusel/Nove Zamky zuvorkommen, doch da Kara Mustafa sich gar nicht um die Einnahme ungarischer Festungen bemühte, sondern direkt auf Wien marschierte, mußten sich die Kaiserlichen unter Karl von Lothringen in das Weinviertel und Tullnerfeld zurückziehen, um dort auf Verstärkungen zu warten

Zur Verteidigung Wiens, das der Kaiser fluchtartig verlassen hatte, wurden 11.000 Soldaten als Besatzungsheer zurückgelassen. Oberbefehlshaber in der Stadt wurde Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg. Bürgermeister Andreas Liebenberg ließ rasch die letzten Verteidigungsvorkehrungentreffen und bereitete das Bürgeraufgebot von 5.000 Mann vor. Die Befestigungen Wiens waren nach der Ersten Türkenbelagerung von 1529 vorsorglich erneuert worden - mit Stadtmauer, Basteien, Stadtgraben und den elf über den Stadtgraben hinausragenden Ravelins. Als das osmanische Heer anrückte, wurden die Vorstädte im gesamten Umkreis, von den Weißgerbern bis zur Roßau, niedergebrannt, so daß die Feinde dort zwar keine Versorgung mehr fanden, aber ihnen die Brandruinen doch einigermaßen Schutz gewährten. Die Türken und ihre gefürchteten tatarischen Streifscharen hielten sich an den Dörfern im Umkreis Wiens schadlos, brandschatzten, mordeten oder führten die Bewohner in die Sklaverei. Traurige Berühmtheit erlangte das Massaker von Perchtoldsdorf, wo die gesamte Einwohnerschaft nach der feierlichen Übergabe der Stadtschlüssel niedergemetzelt wurde

Am 14. Juli begann die Belagerung. Kara Mustafa richtete ein „Ultimatum“ an die Wiener: „Entweder Islam oder Tod - sonst wird die Entscheidung in unserem Streit dem Schwert überlassen“, war die Formel, mehr Tradition, als daß mit einer Annahme gerechnet wurde. Der Großwesir verließ sich wohl eher auf die Kampfkraft seiner 140.000 Soldaten Die Besatzung führte zunächst erfolgreich einige nächtliche Ausfälle durch, auch die Artillerie trug viel zur Abwehr der ersten Angriffe bei. Doch als die Türken auch die Praterinsel besetzten, war Wien völlig von der kaiserlichen Armee abgeschnitten und allein auf sich angewiesen. Da an eine Einnahme der Stadt im Sturmangriff nicht zu denken war, setzte Kara Mustafa seine gefährlichste Waffe ein: er begann den Minenkrieg. Unterirdische Gänge wurden gegen die Stadtbefestigungen vorgetrieben, um diese dann durch Minen zu sprengen. Die Angriffe wurden konzentriert gegen Burg und Löwelbastei vorgetragen, und Mitte August schien das Burgravelin kaum noch zu halten. Starhemberg beschwor Karl von Lothringen, die Entsatzarmee so rasch wie möglich eingreifen zu lassen, aber noch wartete man nach dem Eintreffen bayrischer und sächsischer Kontingente auf die schlagkräftige polnische Kavallerie.

Bei einem Angriff der Belagerer am 3. September stand das Schicksal der Stadt auf des Messers Schneide, als die Türken das Burgravelin einnehmen konnten und die Sprengung der Hauptmauer drohte. In Wien wurden alle Männer für das letzte Aufgebot zwangsrekrutiert. Leuchtraketen vom Stephansturm zeigten der Entsatzarmee die große Bedrängnis an. Einem Großangriff der Türken hätte die Besatzung kaum noch standhalten können. Doch am Morgen des 12. September erfolgte nicht der erwartete Angriff, sondern die türkische Armee hatte ihre Kampfrichtung geändert. Denn über die Hänge des Wienerwaldes rückte das Entsatzheer heran.

Die Polen waren am 31 August eingetroffen. Der Kaiser war diplomatisch genug, den Oberbefehl Jahann Sobieski zu überlassen Auf Schloß Stetteldorf hatten die Heerführer - Sobieski, Karl von Lothringen und Hermann von Baden - Kriegsrat gehalten. Eine Umgehung des unwegsamen Wienerwaldes um die Türken vom Süden her anzugreifen war angesichts der großen Bedrängnis der Stadt verworfen worden. Auch die Annahme, daß sich das zahlenmaßig überlegene türkische Heer im schwierigen Gelände des Wienerwaldes und der Vororte nicht voll würde entfalten können, war taktisch richtig. Sobieski plante den Angriff in drei FIügeln: auf dem Leopolds- und Kahlenberg standen die Kaiserlichen und die Sachsen, das Zentrum auf Hermannskogel und Vogelsang bildeten Bayern und schwäbisch-fränkische Reichstruppen, den linken FIügel zwischen Dreimarkstein und Sofienalpe die Polen.

Der 12. September war ein Sonntag. Um 6 Uhr früh begann der Entscheidungskampf. „Die Giauren tauchten nun mit ihren Abteilungen auf wie Gewitterwolken, starrend vor dunkelblauem Erz“, schrieb ein osmanischer Chronist. Die Türken wendeten der belagerten Stadt den Rücken zu und stellten sich in drei großen BIöcken dem Entsatzheer entgegen; dann begannen sie den Angriff. Das Konzept Sobieskis war nicht auf ein große Feldschlacht angelegt, sondern er versuchte, die Türken in einzelne Scharmützelzu verwickeln. In den Weinbergen kommt es zu erbitterten Nahkämpfen; die polnische Kavallerie bietet den türkischen Scharfschützen vorzügliche Ziele und erleidet beträchtliche Verluste. Als sie sich, nach Abwehr der Türken durch das Reichsheer, wieder sammelt, rückt sie über die Schmelz gegen den Gefechtsstand Kara Mustafas in der Vorstadt St. Ulrich (heute 7. Bezirk) vor. Mit dem Ruf „Jezus, Maria, ratuj (Jesus, Maria, hilf!)“ stürzen sich die polnischen Husaren in eine der letzten großen Reiterschlachten der Neuzeit, und die türkischen Spahis halten nicht stand. Der entscheidende Vorstoß gelingt schließlich dem linken Flügel, wo die Kaiserlichen und Sachsen kämpfen. Das ermöglicht den Polen, die Janitscharen-Leibwache des Großwesirs zu überrennen, und diesem bleibt nur, sein Heil in der Flucht zu suchen. Noch haben die Türken Zeit, ihre Gefangenen umzubringen, dann fliehen sie in Panik. Die Beute, die dem Entsatzheer im Türkenlager in die Hände fällt, ist gewaltig. Ein zeitgenössischer Übersetzer weiß, was Sobieski seiner Frau berichtete: Der Allerhöchste sei gepriesen und gelobet/ daß er Uns hat wider den Erbfeind Obsiegen lassen/ alle Stuckh/ Schatz/ Gezelte so nicht zu schätzen/ ist Uns alles zu theil worden/ wie nicht weniger Cameel/ Viehe/ Schaafe und dergleichen.... Es ist eine Victorie dergleichen niemals zu hören war. Der Commendant Graff Stahrenberg/ hat mich umhalset/ geküsset/ und Salvator genennet. . . In summa der feind ist nun völlig ruiniret/ alles verlohren/ außer mit dem Leben haben sie hohe Zeit sich zu salviren. Lasset alles fröhlich seyn/ GOTT dem Allerhöchsten dancken/ daß ER denen Mahomethanern nicht zugelassen/ uns zu fragen wo unser GOTT ist.“ Die reiche Beute, von der Sobieski ein Löwenanteil in die Hände fiel, dürfte freilich auch der Grund dafür gewesen sein, daß die Osmanen nicht, wie Karl von Lothringen es wollte, sofort verfolgt und vernichtend geschlagen wurden - der große Türkenkrieg, der folgte, sollte sich noch durch Jahre hinziehen.

Starhemberg konnte denn auch an die Niederlage der Türken nicht so recht glauben. Er ließ sofort die Schäden an den Befestigungen ausbessern, weil er eine Rückkehr der Belagerer befürchtete. Die Wiener bedankten sich beim Polenkönig der am 13. September zu einer Messe in Sankt Stephan erschien, mit stürmischem Jubel. Der Kaiser kam einen Tag später, kehrte aber bald wieder nach Linz zurück, weil er die Reparaturen an der beschädigten Hofburg abwarten wollte. Für die Wiener gab es kein Geld für den Wiederaufbau, sondern den allerhöchsten Rat, die vergangenen Zeiten als eine Prüfung zu betrachten die sie zu Tugend, Ehrbarkeit und Gottesfurcht erziehen sollte.

Kara Mustafa ereilte sein Schicksal am 25. Dezember des gleichen Jahres: Der Sultan ließ ihn in Belgrad erdrosseln.

Wenn auch die schwere Niederlage der Türken vor Wien zunächst nicht voll für eine völlige Vernichtung ausgenützt wurde, so konnte das Entsatzheer dennoch Ende Oktober den alten Bischofssitz Gran/Esztergom erobern. Der Kaiser sicherte sich durch einen Waffenstillstand mit Ludwig XIV. gegen einen Zweifrontenkrieg ab und schloß mit Polen und Venedig die „Heilige Liga“ mit dem Ziel der Fortführung des Türkenkrieges. Ein erster Vorstoß gegen Ofen/Budapest blieb zwar erfolglos, doch wurde 1685 die wichtige Festung Neuhäusel/Nove Zamky erobert. Nun stellte auch der Große Kurfürst ein brandenburgisches Kontingent für den Türkenkampf, nachdem er sich wegen der Ausweisung der Hugenotten von Frankreich abgewandt hatte. Auch Rußland schloß sich später dem Bündnis an.

Unter dem Oberbefehl Karls von Lothringen rückten die Kaiserlichen und ihre Verbündeten gegen Ofen vor. Vom 20. Juni bis 2. September 1686 wurde die Festung des Paschas von Buda belagert; sie ging dabei in Trümmer, ebenso wurden große Teile des Stadtteils Pest zerstört. Schließlich mußten die Türken nach heldenhaftem Widerstand kapitulieren

Nun folgte ein Siegeszug ohnegleichen: Die Türken, 1687 am Berg Harsan bei Mohacs geschlagen, mußten den Heeren des Kaisers den Weg nach Siebenbürgen und Serbien freigeben. Die Festung Belgrad fiel zum ersten Mal in österreichische Hand. Die Balkanvölker sahen schon die Hoffnung auf Befreiung vom osmanischen Joch: Der Rumäne Cantacuzino und der Serbe Brankovic führten der kaiserlichen Armee bewaffnete Hilfskräfte zu. General Piccolomini führte die Truppen bis Nisch, Sofia und nach Albanien. Als er einer Seuche zum Opfer fiel, verstimmten sein Nachfolger Christian von Holstein durch seine Arroganz und General Caraffa durch drakonisches Vorgehen die Balkanvölker. Das, aber vor allem ein neuer Angriffskrieg Ludwigs XIV. an der Westgrenze des Reichs, gab den Türken wieder Auftrieb. Der Krieg begann sich hinzuziehen.

Inzwischen hatte sich die österreichische Verwaltung im eroberten Ungarn, das die Habsburger seit 1526 als ihr rechtmäßiges Erbe betrachteten, zu etablieren begonnen. Leopold I. setzte bei den ungarischen Ständen die Anerkennung des Erbrechtes seiner Dynastie durch. Der Adel verzichtete auf das ihm seit 1222 verbriefte Widerstandsrecht. Auch Siebenbürgens Zukunft wurde an Österreich gebunden, obwohl Fürst Apafi noch die Herrschaftsrechte auf Lebenszeit zugesichert wurden.

Noch aber waren die Türken nicht geschlagen, und im Herbst 1690 konnten sie Belgrad zurückerabern. Ungarn schien erneut bedroht. Markgraf Ludwig von Baden (der „Türkenlouis“) sicherte aber durch den Sieg bei Slankamen an der Theißmündung und die Eroberung von Großwardein/Oradea die Save-Donau-Grenze. Dennoch war der Sultan noch nicht zu einem Friedensschluß bereit; die französische Diplamatie, die Österreichs Truppen im Osten binden wollte, spielte dabei eine wesentliche Rolle

Als der Kaiser den „Türkenlouis“ an die Westfront schickte, bekam das Heer im Osten mit Friedrich August von Sachsen einen denkbar ungeeigneten Oberbefehlshaber. Da trat ein GIücksfall ein: der Sachse wurde König von Polen und gab den Oberbefehl auf.

An seine Stelle trat der junge Prinz Eugen von Savoyen, seit 1683, nach seiner Flucht aus Frankreich, wo ihm Ludwig XIV. eine Militärlaufbahn verweigert hatte, im Dienst des Kaisers - ein im Kampf bewährter Offizier, dessen Berufung sich bald als die des bedeutendsten Feldherrn der österreichchen Geschichte herausstellen sollte. Eugen sammelte und trainierte seine Truppen für den entscheidenden Schlag: Bei Zenta/Senta an der unteren Theiß wurde die osmanisch Militärmacht 1697 zerschmettert, so daß der Sultan, wollte er nicht erneut den gesamte Balkanraum den Österreichern öffnen, nun zum Frieden bereit sein mußte.

Auf freiem Feld bei Karlowitz/Sremski Karlovci an der Donau kamen die Bevollmächtigten beider Parteien zusammen. Die Osmanen verzichteten im Friedensvertrag auf ganz Ungarn (ausgenommen das Banat) und Siebenbürgen. Polen bekam Podolien und Teile der Ukraine zurück, Rußland wurde der Besitz von Asow, Venedig der des Peloponnes (Morea) bestätigt

 
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